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Stadt und Festung Küstrin: 800 Jahre Geschichte

Küstrin von Süden, um 1652 nach Merian

Die Festung Küstrin schreibt Stadtgeschichte: Von der Neuzeit zur Moderne

 

Der Name "Küstrin", bis 1928 mit "C" geschrieben, ist slawischen Ursprungs und aus "Costerina" entstanden, was Trespenwerder bedeutet. Die Trespe, eine Art Borstenhirse, soll hier viel vorgekommen sein. Die Gegend um Küstrin war durch den Zusammenfluss der Warthe mit der Oder ein von vielen Wasseradern durchflossenes Sumpfgebiet. Das Gelände der heutigen Altstadt ragte wie eine Insel aus dem Sumpf hervor. Hier haben sich Fischer, Fährleute und Krämer angesiedelt. Ein Ausflug in die Geschichte der Stadt.

 

Die wechselhafte Geschichte Küstrins

Um den Besitz Küstrins stritten sich Pommernherzöge und Polen. 1232 erwarben die Templer den Ort, wobei Küstrin zum ersten Male urkundlich erwähnt wird. Die Templer zeigten in und um Küstrin eine rege kolonisatorische Tätigkeit. Sie gaben der Stadt durch Anlegen des Marktplatzes ihr heutiges Gepräge. Um 1300 bekam Küstrin das Stadtrecht. 1390 wird die Oderbrücke, die an der ehemaligen Mühlenpforte über den Strom führte, urkundlich erwähnt. Das damalige "Feste Haus", das spätere Schloss, deckte den Oderübergang. Wo deutsche Ritter lebten, durfte ein Gotteshaus nicht fehlen. So wurde 1396 die Marienkirche erbaut.
Aus den Geschichtsbüchern wissen wir, dass nach dem Templerorden Küstrin mehrfach den Besitzer wechselte. 1455 fiel die Stadt, sowie die ganze Neumark, endgültig an die Hohenzollern. Das Jahr 1535 brachte Küstrin und der Neumark ein entscheidendes Ereignis. In diesem Jahr starb der Kürfürst Joachim I. von Brandenburg. In seinem Testamente bestimmte er entgegen dem Achille'schen Hausgesetze, dass die Mark Brandenburg geteilt werden sollte. Sein älterer Sohn Joachim II. erhielt den größeren Teil, die Kurmark, der jüngere Bruder Johannes die Neumark. Joachim I. hatte durch diese Maßnahme das Vordringen der Lehre Luthers in die Mark verhindern wollen. Er hatte aber gerade das Gegenteil erreicht. Diese Teilung der Mark war nicht nur für die Geschichte Küstrins, sondern auch für das evangelische Glaubensleben des gesamten Landes und für das Herrschergeschlecht von weittragender Bedeutung.

 

Küstrin vor der Befestigung
Die Festung Küstrin, 1535-1571
Cüstrin wie es gewesen, anno 1650

Ausbau der Festung Küstrin

Markgraf Hans von Küstrin, wie er sich selbst kurz nannte, erkannte die günstige Lage Küstrins an dem Zusammenfluss der beiden Ströme Oder und Warthe. Soldin verlor seine Bedeutung als Hauptstadt der Neumark. Denn nunmehr wurde Küstrin Hauptstadt und zugleich markgräfliche Residenz. 1535 wurde damit begonnen, sie zu einer starken Festung auszubauen.
Die Festung Küstrin wurde nach italienischer Art in Gestalt eines länglichen Vierecks am Zusammenschluss der Warthe mit der Oder angelegt. Dadurch war sie von zwei Seiten vom Wasser umgeben. Die Bollwerke zunächst aus Erd- und Torfwällen errichtet. Diese hielten aber dem öfter eintretenden Hochwasser nicht stand und bedurften immer wieder der Ausbesserung. 1553 entschloss sich der Markgraf zur massiven Ausführung der Befestigung. Welche Schwierigkeiten der Festungsbau verursachte, geht daraus hervor, dass infolge des morastigen Untergrundes erst große Pfahlroste errichtet werden mussten, damit die steinernen Mauern eine haltbare Unterlage hatten.
Den Amthauptleuten von Lebus und Fürstenwalde wurde befohlen, tausend Fuhren Feldsteine an die Oder zum Bau der Festung heran zu schaffen. So entstanden fünf Bastionen: König, Königin, Kronprinz, Kronprinzessin und Philipp (Die Bastion Brandenburg wurde erst 1730 erbaut). Die Werke waren aus Backstein mit Kasematten und 18 Schuh dicken Mauern. Auf zwei Bastionen (König und Kronprinz) standen gemauerte Kavaliere oder Katzen, von denen der auf Kronprinz zwei Etagen hoch wurde. An den Ecken derselben entstanden Pulvertürme. An den nicht von den Flüssen bespülten Seiten zog man breite Gräben, die mit fließendem Wasser angefüllt wurden. Die Festung erhielt Tore: Das Gohriner, jezt Berliner Tor, und das kurze Damm Tor, später das Zorndorfer Tor. Die Kietzer Pforte diente nur dem Personenverkehr. In späteren Jahren befestigte Hans zur Sicherung der südlichen Neumark auch noch die Stadt Peitz.
Das "Feste Haus", bislang ein unscheinbares Gebäude, wurde einer gründlichen Veränderung unterzogen. 1537 war das Schloss fertig. Im Mai desselben Jahres bezog Markgraf Hans mit seiner Gemahlin die neue Residenz. Der mit Kupfer gedeckte Bau war mit Giebeln, Erker und mit runden Türmen versehen. Außerdem war das Schloss nach der Landseite zu noch besonders durch Wassergraben und Mauer gesichert. Den Schlosshof schmückten Terrakotta- und Sandsteinportale. Einige davon haben den Brand von 1758 überstanden. Die Stadt selbst ließ der Markgraf erheblich vergrößern. Beinahe ein Drittel der Gebäude waren herrschaftlich. Es waren Wohnhäuser für das markgräfliche Gesinde, Magazine für Proviant und Kriegsgerät sowie Ställe und Scheunen.
Markgraf Hans von Cüstrin mit Gemahlin und Zeitgenossen der Reformation. Symbolische Darstellung des Übertritts zum Protestantismus. Gemälde von Lucas Cranach, 1556.

Die Reformation in der Neumark

Als gottesfürchtiger Herrscher ließ er der Marienkirche ebenfalls seine Fürsorge angedeihen. Er stiftete einen besonders wertvollen Altar. Unter diesem hat er später sein Grabgewölbe bauen lassen. Über einen gedeckten Gang gelangte man vom ersten Stock des Schlosses zum Chor der Pfarrkirche. Zu Ostern 1538 trat der Markgraf mit seiner Gemahlin öffentlich zum neuen Glauben über, nachdem bereits das ganze Fürstentum evangelisch geworden war.
Die Neumark mit ihren befestigten Plätzen Küstrin und Peitz wurde in den Glaubenswirren des 16. Jahrhunderts ein Hort der stark bedrängten evangelischen Lehre. Es ist merkwürdig, dass Markgraf Hans nicht von der kaiserlichen Acht betroffen wurde, als er auf dem Reichstage zu Augsburg 1548 seine Unterschrift unter das Interium mit folgenden mannhaften Worten verweigerte: "Lieber Schwert als Feder, lieber Blut als Tinte!" Viele durch das Interium brotlos gewordene evangelische Geistliche fanden in der Neumark Schutz, um von hier aus in späteren ruhigeren Zeiten dem Evangelium zum Siege zu verhelfen.
Unter Hans erlebte Küstrin eine später nie wieder erlangte Blütezeit. Die Markgräfin Katharina, Mutter Käthe genannt, stand ihrem fürstlichen Gemahl in der Fürsorge für ihre Landeskinder nicht nach. Am 13. Januar 1571 verlor die Neumark ihren ersten und zugleich letzten Herrscher. In der Pfarrkirche wurde er in seinem Grabgewölbe beigesetzt. Der Markgraf hinterließ ein geordnetes Staatswesen und gefüllte Kassen. Da kein männlicher Erbe vorhanden war, wurden Neumark und Kurmark wieder vereinigt. Mit den Ersparnissen, die Hans hinterlassen hatte, konnten die Schulden seines, wenige Tage vor ihm verstorbenen Bruders Joachim bezahlt werden. Der Enkel Joachim II., Joachim Friedrich, heiratete die Tochter Katharina des Markgrafen Hans. Die zweite "Mutter Käthe" schenkte dem schon im Absterben begriffenen hohenzollernschen Geschlechts sieben Söhne.
Aus Cranachs Gemälde des Markgrafen Hans von Cüstrin von 1556. Angeblich die älteste Ansicht des Schlosses in Cüstrin.

Der Dreißigjährige Krieg

Nach dem Tode des Markgrafen sollten die Festungsmauern bald ihre Festigkeit beweisen. Im Dreißigjährigen Kriege wagte kein Feind einen Angriff auf die Festung, die den Ruf der Unbezwingbarkeit hatte. So konnte der Kurprinz Friedrich Wilhelm unter der Obhut des Befehlshabers der Festung, des trefflichen Oberhauptmanns Hildebrandt von Kracht eine fürsorgliche Erziehung genießen (1627 - 1633). Von diesem Kommandanten wurde das nachweisliche älteste Regiment in Küstrin aufgestellt, das in die Geschichte einging. Der Große Kurfürst nahm das Regiment nach Ostpreußen, welches später Kastenburg zur Garnison erhielt. Das Regiment, das spätere Grenadier-Regiment "König Friedrich der Große" (z. Ostpreußisches) Nr. 4, bestand von 1626 - 1918.

 

Während des großen Religionskrieges räumte der Kurfürst Georg Wilhelm dem Schwedenkönig Gustav Adolf die Festung als Stützpunkt ein. Sie wurde nun noch mehr durch Schanzen und Grabenwehren befestigt. Es entstanden die Schanze auf dem linken Oderufer, die Raveline vor den Toren und die Anfänge des Hornwerks.
 
Als der 21jährige Kurfürst Friedrich Wilhelm zur Regierung kam, war er weder Herr seines Landes noch seines Heeres. Er erkannte sogleich, dass er zur Wahrung der Staatsinteressen vor allen Dingen einer starken Wehrmacht bedurfte. Infolgedessen befahl er den Kommandanten der märkischen Festungen, ihn mitsamt den Besatzungen den Treueeid zu leisten. Dieser Aufforderung kam nur der Oberhauptmann von Küstrin, Conrad Burgsdorff, der Nachfolger Krachts seit 1638, nach. Die ganze Garnison versammelte er in Gegenwart der Neumärkischen Regierung auf dem Marktplatz. Conrad von Burgsdorff schwor als Erster den Treueid und nahm darauf sämtliche Offiziere und Soldaten in den Dienst des Kurfürsten. Das war der Anfang des stehenden Heeres. Hier in Küstrin wurde es geschaffen. Ein Ereignis, das im Hinblick auf die spätere Entwicklung des brandenburgisch-preußischen Heeres uns seiner Geschichte so ungemein wichtig war und wenig bekannt sein dürfte. Auch der Große Kurfürst erkannte die strategisch wichtige Lage Küstrins. Die Festung wurde weiter erheblich verstärkt.

 

In den langen Friedensjahren nach dem Dreißigjährigen Kriege entstanden vereinzelte Gehöfte auf dem Gelände der heutigen Neustadt. Im Oderbruch machten sich bescheidene Anfänge einer Regulierung und Besiedlung bemerkbar.
Das Kriegsgericht von Köpenick anno 1730 nach Adolph Menzel, 1840

Die Katte-Tragödie anno 1730

Ohne besondere Ereignisse flossen die Jahre dahin, bis eine erschütternde Nachricht die Küstriner Bevölkerung aus ihrer beschaulichen Ruhe brachte. König Friedrich Wilhelm I. verwarf mit unerbittlicher Strenge das Urteil des Köpenicker Kriegsgerichts über die Flucht des lebensfrohen Kronprinzen Friedrich und seines Freundes Katte. Er verurteilte selbst den Kronprinzen zu strenger Festungshaft und den Leutnant von Katte zum Todes durch das Schwert.
Die düsteren Mauern der Festung Küstrins und die unheimliche Stille seines Gefängnisses drohten die Seele Friedrichs zu töten. Graue Wolken verhüllten die Sonne des 6. November 1730. Um 7 Uhr früh näherte sich der treue Katte in Begleitung seiner Kameraden dem fürstlichen Gefängnisse im Turm des Schlosses. Schmerzerfüllt stand schon der Kronprinz am Fenster. Sollte wirklich das Unfassbare geschehen? War es wirklich der Wille des Vaters, dass er der Enthauptung seines Freundes zusehen musste? Es blieb ihm nicht erspart!
"Mein Prinz - ich habe Ihnen nichts zu vergeben! Ich sterbe mit Freuden für Sie!", erwiderte Katte mit festen Herzen auf das Bitten und Flehen seines königlichen Freundes.
Da verließen den Kronprinzen die Kräfte, und eine wohltuende Ohnmacht umfing die Sinne des Verzweifelten. Draußen aber, auf dem Wall vor dem Fenster, vollstreckte der Scharfrichter das Urteil des Königs. Schlimme Zeiten folgten, und Küstrin bangte für das Leben des Thronfolgers. Doch langsam glättete die Zeit die Wogen der Erregung. Harte Arbeit in der Kriegs- und Domänenkammer, sowie das heitere Gemüt der Frau von Wreech in Tamsel, trugen dazu bei, den Charakter des Kronprinzen zu bilden. So wandelten Zeit und rastlose Arbeit die Gedanken des jungen Friedrich, bis auch die Kluft zwischen Vater und Sohn am Sterbebette des Königs vollends geschlossen war.
Das Bombardement von Cüstrin den 22. August 1758

Die Beschießung Küstrins 1758

Bald sollte die Welt erkennen, dass der junge Preußenkönig in Küstrin eine harte Schule des Lebens durchgemacht hatte. Neidische Nachbarn sahen mit scheelen Augen auf das emporkommende Preußen und trugen die Brandfackel des Krieges nach Preußen. Vergebens suchten die Russen die Festung Küstrin zu erobern. Da sie die Mauern nicht brechen konnten, schossen sie planlos Brandkugeln in die Stadt. Vom 15. bis 18. August 1758 ging die Stadt des Markgrafen Hans in Flammen auf. Aber tapfer standen die preußischen Kanoniere auf den Wällen und sandten den Russen auf dem Weinberge ihre Grüße. In Gewaltmärschen eilte der König aus Schlesien heran, setzte bei Güstebiese über die Oder und stellte die russische Übermacht bei Zorndorf. Nach wechselvollem Ringen stießen die Quendlischen Kürassiere in die russische Flanke und zwangen den sich zäh verteidigenden Feind, das Schlachtfeld zu räumen.
Siegreich zog der "Große" 1763 in Berlin ein. Seine erste Sorge war, den verwüsteten Gebieten zu helfen. Besonders für Küstrin öffnete er die Staatskassen und half durch beträchtliche Summen der Stadt beim Wiederaufbau. Aus den Trümmern der Johannesstadt erstand durch des Königs Fürsorge die Friedrichsstadt. Zuerst wurden auf Befehl des Königs die Bürgerhäuser erbaut. Diese einfachen, nur mit wenig Stukkatur verzierten Gebäude, deren Baustil verrieten altpreußische Einfachheit. Lange Zeit nach dem Kriege wurden dann das Schloss und die anderen staatlichen Gebäude wieder aufgebaut. Leider konnte das schöne Schloss wegen mangels an Mitteln nicht in der alten Form wiederhergestellt werden. Es wurde ein einfacher Verwaltungsbau. 1814 wurde es zur Kaserne umgebaut. Bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg hat es seine Gestalt durch den Umbau von 1898 erhalten. Die alten Portale im Schlosshof zeugten von der früheren Schönheit des Gebäudes.

Die Besetzung Küstrins 1806

Jedoch nicht lange freute sich die Stadt ihres neuen Kleides. Die Heere des siegreichen Korsen rückten näher und näher. Feierlich gelobte der Kommandant, Oberst von Ingersleben, dem in Küstrin weilenden König Friedrich Wilhelm III., die wohlausgerüstete Festung "bis auf den letzten Mann" zu verteidigen. Schneller als man erwartet hatte, war der französische General Gudin zur Stelle. Er verlangte die bedingungslose Übergabe der Festung, und - das unglaubliche geschah - Küstrin kapitulierte fast ohne Kampfhandlung! Durch Bitten und Drängen einiger Beamten und wohlhabender Bürger beeinflusst, wußte der Kommandant keinen besseren Rat, die Stadt vor größeren Schaden zu bewahren, als bedingungslos zu übergeben. So hatte sich Küstrin am 31.10.1806, ohne eingeschlossen zu sein, einem einzigen Infanterie-Regiment ergeben, dem weder Geschütze noch ein Boot zum Übersetzen zur Verfügung standen. Am 25.11.1806 besichtigte Napoleon vom Hohen Kavalier aus die Festung und mit den Worten "C'est une forteresse formidable!" (Das ist eine furchtbare Festung!) gab er seiner Bewunderung über die Stärke der Befestigungen zum Ausdruck. Acht bittere Leidensjahre erlebte die Stadt. Viele Kunstwerke und historische Bauten wurden zerstört. Die Pfarrkirche und die Garnisionskirche am Wall wurden ihrer Innenausstattung beraubt und in ein Heumagazin bzw. eine Roßmühle verwandelt.

 

Die Einschließung Küstrins 1814

Während der zu Anfang des Jahres 1814 beginnenden Belagerung durch die Russen und Preußen räumten Not und Krankheit unter der Besatzung und dem Rest der Bevölkerung erschreckend auf. Da endlich, am 20. März 1814, schmetterten Siegesfanfaren. General von Hinrichs, der Kommandeur des Belagerungskorps, besetzte die Stadt. Aber in welchem Zustande fand er sie vor! Schlimmer hätte eine Beschießung auch nicht wirken können, als die französische Besatzung die Stadt zugerichtet hatte!
Aber ebenso wie vor 50 Jahren, kehrte die Bevölkerung zurück und brachte neues Leben in die verödete Stadt. Durch die großen Stromregulierungen in den folgenden Jahren wurden Handel und Gewerbe günstig beeinflusst. So gelangte die Stadt nach und nach wieder zu Wohlstand.

 

Melioration des Warthebruchs

1795 war schon der alte Kanal im Norden der Festung, ein Nebenarm der Warthe, zum Friedrich-Wilhelm-Graben ausgebaut worden. Die Stadt sollte dadurch von dem Hochwasser entlastet werden, das alljährlich im Frühjahr und Herbst eintrat. Als Posen Festung wurde, brauchte man eine Landverbindung zwischen Küstrin und Posen. Deshalb wurde 1832 die Warthe, die solange südlich der Festung in die Oder mündete, in den Friedrich-Wilhelm-Graben abgeleitet. Da die Oder jetzt keine Vorflut mehr besaß, wurde der alte Mühlengraben zum Vorflutkanal ausgebaut. Zur Regulierung des Wasserstandes der Oder wurde das Überfallwehr bei Pappelhorst errichtet. Da somit Küstrin viel von seiner inselartigen Lage einbüßte, wurden weitere Befestigungen nötig. Zum Schutze der Südseite wurden auf dem linken Oderufer einige Lünetten angelegt.

 

Die Außenfortanlagen der Festung Küstrin entstehen

Die Bevölkerungszahl wuchs von Jahr zu Jahr, und da merkte man, dass der Stadt eine Ausdehnungsmöglichkeit nicht gegeben war. Die steinernen Festungsmauern redeten hier eine eindringliche Sprache, dass hier nicht der Kaufmann bestimmen durfte, sondern die Interessen der Landesverteidigung den Vorzug hatten. So wurde die Kurze Vorstadt, im Norden der Festung gelegen, das Ziel vieler Erwerbstätigen, die sich innerhalb der Mauern nicht wohl fühlten.
 
Bald erhoben sich sogar Stimmen, die die alte Stadtumwallung für wertlos erklärten und deren Beseitigung forderten. Wohl mit Recht! Denn den neuzeitlichen Angriffswaffen waren diese Mauern auch nach dem Urteil militärischer sachverständiger nicht mehr gewachsen. Aus diesem Grunde bekam die Festung einen Gürtel von Außenwerken. In den achtziger Jahren entstanden die Forts Säpzig, Tschernow, Gorgast und Zorndorf. Zum Schutz der sich immer mehr ausbreitenden Kurzen Vorstadt wurde das Neue Werk gebaut.

 

Die Ostbahn bringt weiteren Aufschwung

1868 musste schon ein Teil der Befestigungen auf dem linken Oderufer zum Bau der Ostbahn eingeebnet werden. Auf dem Gelände der ehemaligen Schanze erhielt Küstrin seinen Bahnhof. Bei weiteren Ausbau der Bahn wurde Küstrin Eisenbahnknotenpunkt mit dem neuen Hauptbahnhof in der späteren Neustadt.
Nach den deutschen Einigungskriegen blühte die Kurze Vorstadt schnell auf. 1907 bekam sie die Bezeichnung "Neustadt". Die alte Neustadt im Hornwerk hatten die Franzosen zum Teil zerstört; der Rest musste dem Eisenbahnbau weichen.

 

Stürzendes Gestein: Die Bastion König wird gesprengt

Im Jahre 1911 wurde der Abbruch der inneren Umwallung beschlossen. Aber erst nach dem Ersten Weltkriege begann man mit dem Abbruch. Als erste fielen die Bastionen "Kronprinzessin" und das Zorndorfer Tor. 1925 wurde auch die Bastion "Königin" abgetragen. 1930 entbrannte ein heftiges "Für" und "Wider" um die Niederlegung des Wahrzeichens der Stadt, des "Hohen Kavaliers". Auch er fiel, und sein verschwinden erregte die Gemüter auch außerhalb Küstrins. Ein volles Jahr brauchte man, um das mit mächtigen Feldsteinen gemauerte Bollwerk zu beseitigen. Dass diese Mauern ohne nennenswerte Ausbesserungen vier Jahrhunderte überdauert haben, zeugt von der Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, mit der der Bau der Festung ausgeführt worden war.
Um einen Ausgleich für die Beseitigung der historischen Ostfront zu schaffen, hat die Stadt die Südwestseite, die Bastion Brandenburg, in eine wohlgelungene Anlage, dem Kattewall, verwandelt, welche die Bastion "Philipp" mit der neuen Bastion "Brandenburg" verband. Die Bastion "König" und das Hornwerk, beide im Besitz der Kommandantur, sowie die noch stehenden Werke am Kietzer Tor, sollten erhalten bleiben.
"Mögen diese Reste der Festung noch lange die Bewohner Küstrins und alle Besucher der Stadt an die Bedeutung erinnern, die die Festung für Brandenburg-Preußen einstmals gehabt hat!", schrieb der Unteroffizier bei der Festungskommandantur Küstrin, Ralf Juon, aus Anlass der 700-Jahr-Feier 1932.